Hintergrund: 50 Jahre Kinderspielmannszug Radeberg

Veröffentlicht von Tom Thiele am

Ein Verein, eine Geschichte: Am 1. Februar 1972 schlägt in der damaligen Wilhelm- Pieck- Oberschule die Geburtsstunde des Kinderspielmannszuges Radeberg. In ihrer 50- jährigen Historie hat die Truppe so manche Höhen und Tiefen durchgemacht, politische Umbrüche gemeistert und sich zu Sachsens erfolgreichster Nachwuchsformation hochgearbeitet. Einer, der von Anfang an dabei war, ist Gottfried Hesse. Für sein Lebenswerk erhielt er im Mai 2019 die höchste sächsische Auszeichnung. 

Wissen Sie noch? Radeberg in den 1970er Jahren: Das VEB- Kombinat Robotron prägt die städtische Wirtschaft, die ersten Zwölfeckhäuser entstehen und die heutige Grundschule Süd ist noch eine polytechnische Oberschule, benannt nach dem langjährigen Staatspräsidenten der DDR Wilhelm Pieck. Hier treffen sich am 1. Februar 1972 sage und schreibe 49 Kinder und Jugendliche von der vierten bis zur achten Klasse. Ihr Ziel: Die Gründung eines Kinderspielmannszuges.

Die damaligen Übungsleiter Volker Schulze, Roland Gärtner und Gottfried Hesse nehmen es von Anfang an sportlich: Bereits am 25. Juni desselben Jahres soll es bei der Eröffnung der Betriebsfestspiele vor dem Sportheim in Radeberg den ersten Auftritt in einheitlicher Pionierkleidung geben. Mit Trommelstöcken und Querflöten in der Hand geht es an das erste Lied: das „Sturmlied der freien Turner“. Der Anfang war gemacht. 

Wettkampf- Ehrgeiz von Anfang an

Bis zum Jahresende 1972 waren es immerhin 61 junge Spielleute, die jeden Freitag zur Übungsstunde des Kinderzuges kamen. Schnell wurden weitere Titel wie „Schneidiges Regiment“, der „Wandermarsch“ und die „Internationale“ einstudiert. Zum ersten Auftritt im Juni kamen bis zum Jahresende drei weitere hinzu und die Winterferien 1973 wurden für ein 14- tägiges Intensivtraining genutzt. Das tägliche Üben am Instrument aber auch in der Marschformation machte die jungen Musiker wettkampfreif. Und so durften sie im Mai 1973 bei den Bezirksmeisterschaften in Ruhland erstmals Wettkampfluft schnuppern. Hinter Kleinröhrsdorf belegte der Kinderspielmannszug aus Radeberg damals den zweiten Platz. 

Und das Jahr 1973 hielt noch eine weitere Premiere bereit, die das Vereinsleben des Kinderspielmannszuges über Generationen hinweg prägen sollte: Das Sommertrainingslager in Bad Schmiedeberg. Kein Radeberger Spielmann schwärmt nicht von den abenteuerlichen Zeiten „damals“, als man zwischen Kiefern in Waldhütten einen ganz besonderen Spielleute- Sommer erlebte. Ganze 35 Jahre fand das Sommerferienlager in Bad Schmiedeberg statt, bis die Insolvenz der Betreiber im Jahr 2008 die Suche nach einem neuen Ort notwendig machte. Seit 13 Jahren geht die Reise nun in das Kinder- und Jugenderholungszentrum (KIEZ) „Am Braunsteich“ in Weißwasser. Und 2023 wird der Kinderspielmannszug dann zum 50. Mal ins Sommerferienlager fahren.

Der Radeberger Kinderspielmannszug (von links): 1988 bei den Bezirksmeisterschaften, 1980 in Osterfeld und 1977 in Radeberg

Auf und Ab: Mit viel Eifer zu großen Erfolgen  

Das ehrgeizige Training zahlte sich aus: Die Anzahl der Auftritte nahm zu und auch die Wettkampferfolge konnten sich sehen lassen. So stiegen die jungen Radeberger beispielsweise 1975 in die Sonderklasse der Kinderspielmannszüge auf. 1984 wurde mit dem fünften Platz bei den DDR- Meisterschaften der größte Erfolg in der Vereinsgeschichte gefeiert. 

Ab 1987 starteten die Radeberger sogar mit zwei Kinderspielmannszügen zu den Wettkämpfen. Das war einmalig in der DDR und wurde bis 1990 durchgehalten. Doch auch Misserfolge, beispielsweise durch großen Nachwuchsmangel im Jahr 1977, gehören zur Geschichte des Zuges. Doch immer wieder gelang den Übungsleitern, diese Täler zu überwinden und mit viel Eifer eine Wettkampfteilnahme zu garantieren. 

Fast wie Olympia: Leipziger Turn- und Sportfeste 

Bereits 1977 durften die Radeberger Spielleute 53 ihrer Mitglieder zur Sportschau des 6. Deutschen Sportfestes nach Leipzig schicken. Die Dimensionen dieser Großveranstaltungen sind heute unvorstellbar: zehntausende Schaulustige im Publikum, politisch höchste Repräsentanz und eine Massenchoreografie mit über 20 Tausend Teilnehmern. 

Nicht umsonst kam die Teilnahme eines Spielmannes der eines anderen Sportlers an den Olympischen Spielen gleich. In zwei weiteren Jahren, nämlich 1983 und 1987, konnten die Radeberger Spielleute sowohl Kinder als auch Erwachsene zu den Sportschauen delegieren. 

Aufstieg zur erfolgreichsten sächsischen Nachwuchsformation

Nach der Wiedervereinigung gab es 1991 die ersten Sächsischen Landesmeisterschaften in Bischofswerda. Der Radeberger Kinderspielmannszug erkämpfte hier den dritten Platz. Doch schon bald stellte sich eine unvergleichbare Erfolgsgeschichte ein: Bis heute verließen die Kinder und Jugendlichen den Wettkampfplatz nämlich 21 Mal als Landesmeister, was sie zu Sachsens erfolgreichstem Nachwuchszug macht. 

Erneut konnten sie zudem zwischen 1997 und 2000 mit zwei Kinderspielmannszügen beim Wettkampf antreten. Bereits neun Mal wurde das begehrte „Doppel- Gold“, also der Sieg von Kinder- und Erwachsenenzug bei einer Meisterschaft, in die Bierstadt geholt. Zuletzt gelang dies im Jahr 2018. 

49 Spielleute- Jahrgänge: Ein besonderes Lebenswerk 

August 2021: Die Wilhelm- Pieck- Oberschule heißt nun „Grundschule Süd“, und auch Titel wie „Schneidiges Regiment“, „Wandermarsch“ oder die „Internationale“ gehören der Vergangenheit an. Die Spielleute jedoch sind geblieben und haben zur nunmehr 49. Schnupperübungsstunde des Kinderspielmannszuges geladen. Ganz vorn steht: der langjährige Leiter des Nachwuchszuges Gottfried Hesse. Vor ihm sitzen die Neuanfänger und blicken ihn erwartungsvoll an, warten auf Trommelstöcke und Flöten, fast so wie 1972. 

Es ist sein 49. Spielleute- Jahrgang. Für dieses beeindruckende Lebenswerk wurde ihm bereits im Mai 2019 durch den Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsen, Michael Kretschmer, der Sächsische Verdienstorden verliehen. Zum Gratulieren traten weit über 100 Radeberger Spielleute in drei Formationen – von den Jüngsten im Kinderzug bis zu den ältesten Spielleuten im Oldiezug – auf dem Radeberger Marktplatz an. Sie alle wurden, wie übrigens etwa 1300 weitere Personen, von ihm zu Spielleuten gemacht. Hut ab! 

Auszeichnung für ein herausragendes Lebenswerk: im Mai 2019 wurde Gottfried Hesse, Leiter und Gründer des Radeberger Kinderspielmannszuges, vom Sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer geehrt.

Nun bleibt zu hoffen, dass die Geschichte des Kinderspielmannszuges Radeberg auch in Zukunft erfolgreich weitergeschrieben werden kann. Durch die vielen Siege bei den Landesmeisterschaften und den zahlreichen Auftritten in der Region hat die Formation große Bekanntheit gewonnen. Und auch Höhepunkte wie eine Auftrittsreise nach Berlin, die Teilnahme am Tag der Sachsen sowie das Jubiläumskonzert anlässlich 50 Jahre Spielmannszug Radeberg wurden von den jungen Musikern gemeistert. 

Spätestens, wenn im August 2022 der 50. Jahrgang mit Trommelstöcken und Querflöten ins Rennen geht, um die Radeberger Spielleutegeschichte weiterzuschreiben, steigt die Vorfreude auf das Jahr 2032, in dem es hoffentlich heißen wird: „60 Jahre Kinderspielmannszug Radeberg!“


Kategorien: Nachwuchszug